08.12.2023
Prof. Karl Philipp Kutzner zur Kurzschaft-prothese optimys
Kurz und gut: Kurzschaftprothesen auf dem Weg zum Standard
Kalkar-geführte Kurzschaft-Implantate wie optimys bieten die Möglichkeit die individuelle Anatomie zu rekonstruieren. Gleichzeitig sind sie knochen- und muskelerhaltend einzusetzen und es kommt seltener zu Blutungen und Frakturen im Vergleich zu Geradschäften. Wer sich mit dem Operationsziel im Detail auseinandersetzt und gut plant, kann für ein breites Patientenspektrum sehr gute Ergebnisse erzielen, meint Prof. Dr. Karl Philipp Kutzner, Mainz. Aktuelle Registerdaten bestätigen für optimys niedrige Revisionsraten.
PROF. DR. MED. KARL PHILIPP KUTZNER
Prof. Dr. med. Karl Philipp Kutzner ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und Spezialist für Hüft- und Knieendoprothetik am Endoprotheticum Rhein-Main in Mainz. Er hat sich von Anfang an intensiv mit Kurzschaftprothesen beschäftigt und bevorzugt – wenn möglich – diese Implantat-Philosophie. Seine Expertise bringt er in der Aus- und Weiterbildung ein: So übernimmt er regelmässig die wissenschaftliche Leitung des Kurzschaft-Kurses der AE – Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik e. V.
Interview
Herr Prof. Kutzner, das primäre Ziel bei der Entwicklung von Kurzschaftprothesen war der Knochenerhalt. Wurde dieses Ziel erreicht und wenn ja, wie?
Prof. Kutzner: Die Kurzschaft-Prothetik gibt es nun seit ca. 30 Jahren und – ja, die Idee dahinter war es, über einen langen Zeitraum Knochen zu erhalten. Dieses Ziel ist aus meiner Sicht noch eine der wichtigsten Motivationen. Das Kurzschaft-Implantat optimys zum Beispiel erhält bereits bei der Operation mehr Knochen, denn der Schenkelhals wird zum grossen Teil stehengelassen. Ausserdem trägt das Implantat oben nicht so auf wie ältere Modelle. Die ganze Operation ist also bereits knochensparend. Darüber hinaus werden im Gegensatz zu den Langschaft-Prothesen die Kurzschaftprothesen gelenknah fixiert. Dadurch wird die Kraft direkt auf den Knochen am Knochenhals übertragen und die Knochenbälkchen werden an dieser Stelle besser erhalten. Bei einer potenziellen Revision ist der Knochen gelenknah sehr stabil und frakturiert nicht so leicht. Gelenkfern fixierte Implantate verhalten sich da ganz anders. Der Knochen wird dort, wo die Last nicht übertragen wird, schneller abgebaut.
„Aufgrund ihrer anatomischen Form können Kurzschaftprothesen besser die natürliche Anatomie des Hüftgelenkes rekonstruieren“
Was sind weitere Vorteile der Kurzschaftprothesen wie optimys gegenüber herkömmlichen Prothesen?
Prof. Kutzner: Besonders hervorzuheben ist die Möglichkeit der minimalinvasiven Operation. Die kurzen Schäfte und insbesondere wie bei optimys die gebogene Form ermöglichen eine individualisierte Rekonstruktion bei gleichzeitig verringerter Schädigung von Muskulatur und Weichteilgewebe. Ich sehe das heute neben dem Knochenerhalt als zentralen Vorteil. Kurzschaftprothesen wie optimys haben zudem einen besonderen konischen Aufbau, während alternative Schäfte etwas flacher sind. Dies kann für eine gute Primärstabilität sorgen und ein Absinken des Schaftes verhindern. Dies begünstigt die Heilung und die Patienten sind nach meiner Erfahrung in der Regel schnell wieder auf den Beinen.
Besonders ist bei optimys, dass sich das Implantat sowohl gelenknah, als auch zusätzlich in der proximalen Diaphyse des Röhrenknochens fixieren lässt. Er ist sehr individuell und flexibel einsetzbar. Dadurch ist der Schaft häufig auch für ältere Menschen mit einer nicht ganz so optimalen Knochenqualität geeignet.
Wo sehen Sie Grenzen bei der Kurzschaft-Implantation?
Prof. Kutzner: Grundsätzlich hat gerade der optimys-Schaft das Potenzial für eine Standard-Prothese. Er ist breit einsetzbar und sehr variabel. Die kalkar-geführte Endoprothetik folgt der individuellen Anatomie des Patienten und lässt sich quasi massgeschneidert positionieren. Dies erfordert allerdings eine gewisse Erfahrung des Operateurs im Umgang mit der Technik. Jede Kurzschaftprothese muss sauber und individuell geplant werden. Dabei sollte das Ziel ganz klar sein und die Knochenqualität muss gut abgeschätzt werden. Wer sich damit auseinandersetzt, kann für die Patienten hervorragende Ergebnisse erzielen. Allerdings sollten sie nicht bei Menschen mit einer schlechten Knochenqualität verwendet werden. Bei ungenügendem Verankerungspotential oder unzurreichender Knochenfestigkeit sind sie kontraindiziert. In diesem Fall ist das Risiko zu hoch, dass es zu einer Fraktur oder zum Sintern des Implantats kommt.
Was raten Sie Kollegen, die sich mit der Kurzschaft-Endoprothetik vertraut machen möchten?
Prof. Kutzner: Eine Lernkurve muss jeder Operateur bei jeder Prothese durchlaufen – das gilt auch für den optimys Schaft. Mathys hat sich von Anfang an Gedanken dazu gemacht. Es gibt regelmässig gute Schulungs- und Workshop-Angebote, die das theoretische Wissen vermitteln. Ausserdem kann ich nur dazu raten, an Kadaver-Workshops teilzunehmen und möglichst bei erfahrenen Kollegen zu hospitieren.
„Wenn alles gut läuft, müssen heutige Implantate womöglich nicht gewechselt werden“
Was sind die häufigsten Komplikationen in der Hüft-Endoprothetik?
Prof. Kutzner: Grundsätzlich sind heutzutage glücklicherweise Komplikationen selten geworden. Infektionen treten Prothesen-unabhängig immer wieder einmal auf, auch wenn sie nicht häufig sind. Früher haben wir uns viel mehr Gedanken zu Luxationen machen müssen. Diese kommen heute nur noch selten vor. Das spiegelt sich auch in den Register-Daten wider. Kurzschäfte gehören zu den Implantaten mit den niedrigsten Revisionsraten.
Mit welchen Standzeiten ist bei Kurzschaft-Implantaten zu rechnen?
Prof. Kutzner: Das ist natürlich von Fall zu Fall ganz verschieden. Aus der heutigen Sicht besteht aber meines Erachtens kaum noch ein systemischer Grund, die Prothese wechseln zu müssen. Die meisten Patienten sind über 50 Jahre alt, wenn sie an der Hüfte operiert werden. Im Gegensatz zu den früheren Materialien, zum Beispiel Metall und nicht-vernetztes Polyethylen, kommt es heute kaum noch zu Abrieb. Der Kopf besteht heute aus Keramik und läuft in einer Pfanne mit langlebigem Polyethylen. Vom Material her hat es in den letzten 20 Jahren sehr viel Verbesserungen gegeben. Und selbst die Implantate, die vor etwa 20 Jahren verwendet wurden, halten im Mittel bereits heute schon sehr lang. Ich erwarte also, wenn es nicht gleich zu Beginn zu Komplikationen gekommen ist, dass die meisten Menschen sehr lange und problemlos mit einer Prothese auskommen können und vielleicht keinen Austausch benötigen werden.
Die Forschung geht immer weiter. Welche Fragestellungen sind aus Ihrer Sicht noch offen?
Prof. Kutzner: Ich habe mich im Rahmen meiner Habilitation mit der zementierbaren Kurzschaft-Version des optimys beschäftigt. Eine solche Philosophie würde aus meiner Sicht noch weiteren Menschen eine Lösung anbieten. Ich bin zuversichtlich, dass es in Zukunft weitere Entwicklungen von knochensparenden Implantaten geben wird.
Eine spannende Zukunft sehe ich auch in der Philosophie des Oberflächenersatzes, einer Kappe, die auf den vorhandenen Hüftkopf gesetzt wird. Dieses Thema war bereits vor 15 Jahren schon einmal ganz gross. Man hat allerdings mit Kappen und Pfannen aus Metall gearbeitet und die Idee wurde wegen des starken Abriebs weitestgehend verworfen. Mit den Erfahrungen, die heute mit Keramik und Polyethylen bestehen, könnte der Oberflächenersatz nochmals ein wichtiges Thema werden. Das wäre in erster Linie für Sportler eine attraktive Option.
Herr Prof. Kutzner, wir danken Ihnen für dieses interessante Gespräch!